Die japanische Sprache unterscheidet zwischen verschiedenen Kategorien dessen, was im Deutschen unter dem Begriff „Kampfsport“ zusammengefasst wird. Während das Wort bujutsu
(武術, „martiale Techniken“ oder „militärische Fähigkeiten“) ein ziemlich zusammenfassender Begriff ist, nicht unähnlich dem deutschen „Kampfsportarten“ oder dem englischen
„Martial Arts“, wird er doch meist in Zusammenhang mit den klassischen Kampfsystemen der Feudalzeit benutzt, d.h. kobujutsu (古武術, „alte martiale Techniken).
Moderne Wettkampfsysteme wie Boxen, Ringen oder Multiple Martial Arts fallen in die Kategorie kakutōgi (格闘技, „Kampftechniken“). Der dritte Begriff budō
(武道, „martiale Wege“) dagegen bezeichnet jene modernen Entwicklungen aus den klassischen bujutsu, deren wichtigster Schwerpunkt nicht (nur) auf sportlichen
Errungenschaften und Erfolg im Wettkampf liegt, sondern auch zu gleichen Teilen auf der metaphysischen, spirituellen Entwicklung von Charakter und Persönlichkeit.
Genau wie Jūdō und Kendō gehört Aikidō zu diesen letzteren Systemen. Es handelt sich um eine moderne Entwicklung aus mehreren klassischen Stilen, verzichtet (mit wenigen Ausnahmen) auf
Wettkämpfe, und verschreibt sich gänzlich einer Philosophie, die auf pazifistischen Prinzipien basiert. Es eine „Kampfkunst“ zu nennen, nicht einen „Kampfsport“, klassifiziert Aikidō daher als
eine jener kulturellen Errungenschaften Japans, die einen Komplex von Handwerkskunst mit einem ausgereiften philosophischen Hintergrund kombinieren.
Während Jūdō und Karate leicht erklärbar und auch deshalb weit verbreitet sind, handelt es sich bei Aikidō um eine Kampfkunst, von der man nur schwer in wenigen Worten eine halbwegs konkrete
Vorstellung vermitteln kann. Karate und Jūdō lassen sich zum Beispiel kurz und bündig folgendermaßen beschreiben: „Karate ist ein System von Schlägen, Tritten und Blöcken, ähnlich wie Boxen mit
Füßen. Jūdō ist ähnlich wie das westliche Ringen, ein Gegner wird festgehalten, zu Boden geworfen und dort niedergerungen.“ Und obwohl beide Beschreibungen den jeweiligen Sportarten nicht
wirklich gerecht werden, vermögen sie doch, dem Zuhörer eine ungefähre Vorstellung zu vermitteln, worum es denn eigentlich geht.
Beim Aikidō allerdings gestaltet sich eine solche Beschreibung eher schwierig. Mit dem Jūdō teilt es seinen Ursprung aus verschiedenen Jūjutsu-Stilen und den Anspruch, keine Angriffstechniken zu
vermitteln. Während beim Jūdō aber ausdrücklich auf „gefährliche“ Techniken wie z.B. Gelenkhebel verzichtet wurde, bedient sich das Aikidō typischerweise gerade solcher Techniken, die darauf
angelegt sind, Gelenke eines Angreifers zu verdrehen oder umzubiegen, was natürlich äußerst schmerzhaft sein und im Extremfall zu schweren Verletzungen führen kann.
Wenn man nun aber versuchen würde, Aikidō zusammenfassend zu beschreiben, indem man sagt, man drehe einem Gegner den Arm um, kommt man der Sache nicht einmal nahe. Selbst eine minimalistische
Erklärung würde zumindest, so oder ähnlich, die folgenden Ausführungen nötig machen. Im Aikidō wird
zuerst einem Angriff ausgewichen;
dann wird der Angriff (oft mithilfe eines Gelenkhebels) umgeleitet;
dabei fügt man die eigene Kraft/Energie der des Angriffs hinzu;
dadurch wirft man schließlich den Angreifer oder bringt ihn zu Boden.
Typisch dabei sind kreis- bzw. spiralförmige Bewegungen, mit denen man einem Angriff ausweicht und sich gleichzeitig an die Bewegungen des Angreifers anpasst.
D.h. man versucht, die eigene Kraft und Energie dem Angriff anzupassen, man versucht, die eigenen Bewegungen der Richtung, der Geschwindigkeit und dem Impuls des Angriffs anzugleichen, mit dem
Körper des Angreifers zu „harmonieren“ und sich auf eine Wellenlänge zu bringen, um ihn so zu neutralisieren. Und gerade das ist die ursprüngliche Bedeutung von Aiki: sein Ki
anpassen!
Womit sich das große Problem ergibt, erklären zu müssen, was Ki ist. Wie kann man, vor allem Menschen, die nicht in einem asiatischen Kulturkreis aufgewachsen sind, Ki
übersetzen und erklären?
(Autor: Max Seinsch)